Energie und Lebensfreude durch gesellschaftliche Teilhabe. Einsamkeit überwinden.
Teil 6 unser Blog-Reihe zum Thema: Lebensenergie
02. Mai 2023
Allein sein kann so wohltuend sein: Ruhige Momente der Einkehr und Introspektive in einem Lebensstil, der von Aktivität und vielfältigen Begegnungen geprägt ist. Aber wenn das Alleinsein unfreiwillig stattfindet, wenn Menschen sich mehr soziale Kontakte und ein aktiveres Umfeld wünschen und dieses nicht finden, kann die wohltuende Zeit allein schnell in quälende Einsamkeit umschlagen. Einsamkeit wird als Diskrepanz zwischen den gewünschten und den tatsächlichen sozialen Kontakten beschrieben. Zum Glück gibt es eine Vielzahl von Angeboten und Möglichkeiten, die es erleichtern, aus dem Teufelskreis der Vereinsamung auszubrechen und wieder zu sozialer Teilhabe zu gelangen. Der Weg aus der Einsamkeit führt über die Freude am eigenen Tun und eine wohlwollende Begegnung mit der Umwelt. Lebensfreude und innere Motivation können als Schlüssel auf diesem Weg dienen.
Einsamkeit: eine moderne Volkskrankheit
In Zeiten von Splitterfamilien und gesteigerter Mobilität, in denen nur in den seltensten Fällen alle Generationen noch am selben Ort leben, wird Einsamkeit immer mehr zu einem Massenphänomen mit ernsten Auswirkungen für das geistige Wohlbefinden, aber auch die körperliche Gesundheit von Betroffenen. Bisher waren es vor allem ältere Menschen, die unter Einsamkeit litten, mittlerweile sind es verstärkt auch junge Menschen, die von einem Gefühl der Unverbundenheit mit ihrer Umwelt betroffen sind. Einsamkeit ist inzwischen so sehr zum Problem geworden, dass das Bundesfamilienministerium eigene Kampagnen zu ihrer Bekämpfung lanciert. Als mögliche Ansätze, um das Problem der Einsamkeit zu bekämpfen, werden dabei beispielsweise Anlaufstellen für einsame Menschen geplant. Außerdem gibt es Kampagnen zur Steigerung des öffentlichen Bewusstseins für das Problem der Einsamkeit und sein tatsächliches Ausmaß.
"Allein sein zu müssen ist das Schwerste, allein sein zu können das Schönste."
Hans Krailsheimer
Ab der zweiten Lebenshälfte empfinden Menschen es oft als zunehmend schwierig, tiefe FreundInnenschaften zu schließen. Auch wenn ältere Menschen über die Jahre oft eine Vielzahl an Bekannten gesammelt haben, sind echte FreundInnenschaften rar und kommen mit dem Alter immer schwieriger zustande. Generell werden Übergangssituationen als besondere Risikofaktoren angesehen, anhand derer man in ein Gefühl der Einsamkeit rutschen kann. Dabei kann es sich um den Einstieg in Studium oder Ausbildung, den Beginn oder das Ende des Berufslebens, einen Umzug oder den Verlust einer langjährigen PartnerIn handeln.
Globale Ausnahmesituationen wie die Corona-Pandemie können die Einsamkeit besonders bei allein lebenden Menschen weiterhin verstärken. Auch hier sind ältere Menschen in besonders hohem Maße betroffen, da sie selten in Wohngemeinschaften oder Familienverbänden leben. Während in den Jahren vor der Pandemie rund 14 % der Befragten angaben, sich zumindest manchmal einsam zu fühlen, waren es im ersten Jahr der Pandemie ganze 42 %, die unter dem Gefühl der Einsamkeit litten. Dabei war besonders auffällig, dass nun vermehrt auch Menschen unter 30 Jahren betroffen waren.
Da Einsamkeit körperlichen und seelischen Stress hervorruft, kann sie auch den Schlafrhythmus schädigen und die Entwicklung von Depressionen begünstigen. Außerdem wirkt sich Einsamkeit auch ganz konkret auf den physischen Körper aus und begünstigt beispielsweise Herz-Kreislauferkrankungen. ExpertInnen sehen ein längeres Fehlen von sozialen Beziehungen als ähnlich gefährlich wie übermäßigen Alkoholkonsum, Nikotin, eine schlechte Ernährung oder Bewegungsmangel an. Um das körperliche und seelische Wohlbefinden von Betroffenen zu fördern und ihre Einsamkeit zu bekämpfen, gibt es zum Glück aber auch eine Vielzahl an Strategien und Hilfestellungen.
Weniger einsam durch soziales und ökologisches Engagement
Statt in der Freizeit in einem traurigen Gefühl der Einsamkeit zu versinken, kann man diese Zeit auch positiv im Engagement für andere nutzen und sich selbst verstärkt als hilfreich und liebenswert erfahren. Die Wertschätzung, die eine Arbeit im Ehrenamt mit sich bringt, wiegt den Arbeitsaufwand einer solchen Aktivität meist bei Weitem auf. Solche Aktivitäten werden oft von Kirchen oder anderen religiösen Einrichtungen organisiert, finden sich aber in einer Vielzahl von Einrichtungen mit verschiedenem Arbeitsfokus. Oft stammen Initiationen des ökologischen und sozialen Engagements aus dem Kontext der sozialen Arbeit und finden sich verstärkt in gemischten Nachbarschaften.
Die Vielfalt der Möglichkeiten sozialen Engagements ist groß, so kann man sich je nach den eigenen Vorlieben und Fähigkeiten beispielsweise für Menschen mit Behinderung, in Obdachlosigkeit, mit Fluchthintergrund oder in anderen schwierigen Lebenslagen engagieren. Auch niedrigschwelliges Engagement, wie einige Vorlesestunden pro Monat in der Bibliothek in der Nähe, können ein guter Anfang sein.
Ökologisches Engagement kann sich beispielsweise auf die Arbeit mit dem belebten, natürlichen Umfeld konzentrieren und die Zählung von bestimmten Tierarten, das Bauen und Installieren von Brutkästen oder die Reinigung und Wiederherstellung von Naturräumen beinhalten.
Vor allem im städtischen Umfeld kann sich ökologisches Engagement aber auch in Form von konsumverändernder Arbeit in Repaircafés, in Re- und Upcycling-Initiativen oder im Rahmen der Lebensmittel-Retten-Bewegung abspielen. Wer sich gern die Hände schmutzig macht und mit Pflanzen arbeiten möchte, kann sich in Stadtgärten oder direkt auf Höfen zum Beispiel im Rahmen einer solidarischen Landwirtschaft einbringen. Oft überschneiden und ergänzen sich soziales und ökologisches Engagement dabei wunderbar in der Praxis.
Auch bei Kasimir und Liselotte liegt uns die soziale Teilhabe, vor allem aber auch unser soziales und ökologisches Engagement am Herzen. Deshalb haben wir unseren eigenen Demeter-zertifizierten Hof in Südfrankreich, auf dem wir nachhaltig biodynamisch arbeiten und eine Vielzahl an Heilpflanzen anbauen, die später in unserer Manufaktur in Werder an der Havel verarbeitet werden. Auf unserem Hof leben und arbeiten drei Generationen miteinander und es liegt uns viel daran, Menschen zu berühren. Bei Praktika und freiwilliger Arbeit können Interessierte jeden Alters hier einen Einblick in eine nachhaltige Lebens- und Arbeitsweise erhalten, die mit dem anderen und der Natur pfleglich und liebevoll umgeht. Mehr über uns, unser nachhaltiges Projekt und wie wir gemeinsam und generationenübergreifend daran arbeiten, kannst du hier nachlesen.
Begegnung bei gemeinsamen Aktivitäten
Die besten Chancen, Menschen kennenzulernen, mit denen man sich versteht und die ähnlich ticken wie man selbst, hat man, wenn man sich dort aufhält, wo auch man selbst sich am wohlsten fühlt. Denn ähnliche Wertvorstellungen und Vorlieben werden auch diese potenziellen FreundInnen an die selben Orte locken. Leichter als in einem Café oder im Theater fällt es den meisten Menschen, andere bei gemeinsamen Aktivitäten kennenzulernen. Das kann zum Beispiel bei Betätigungen im kreativen oder auch im sportlichen Bereich sein. Wer ein solches Hobby bisher noch nicht hat, kann sich vielleicht auf etwas besinnen, was er oder sie schon immer machen wollte oder einfach ein paar Favoriten ausprobieren.
Gemeinsame Bewegung kann eine tolle Art sein, gegen die Einsamkeit anzukämpfen und gleichzeitig der Gesundheit etwas Gutes zu tun. Gemeinschaft kann man beispielsweise erfahren, wenn man sich mit Bekannten zum Spazierengehen, Schwimmen, Fahrradfahren oder Yoga trifft oder an einer organisierten Wanderung teilnimmt. Besonders wohltuend wird oft die gemeinsame Aktivität in der freien Natur wahrgenommen. Über die vielen positiven Effekte von Bewegung auf unsere Gesundheit gibt es eine ganze Menge Informationen in unserem Text Energie durch Bewegung.
„Mancher Mensch hat ein großes Feuer in seiner Seele, und niemand kommt, um sich daran zu wärmen.“
Vincent van Gogh
Intergenerationelles Wohnen
Gute Nachbarn sind Gold wert, wie jeder, der gern verreist und trotzdem Balkonpflanzen haben will, bestätigen wird. In vielen Fällen übernehmen Menschen in der Nachbarschaft aber auch eine ganze Menge anderer Funktionen und werden vor allem in Momenten eingeschränkter Mobilität im Alter oder bei Unfall oder Krankheit zu wichtigen BegleiterInnen. Die zunehmende Anonymität der Städte, verbunden mit steigenden Mieten und Gentrifizierung, die viele Menschen aus ihrem vertrauten Wohnumfeld treiben, reißt nachbarschaftliche Kontexte leider zunehmend auseinander. Trotzdem kann es immer wieder lohnenswert sein, auf Menschen in der Nachbarschaft aktiv zuzugehen und auch organisierte nachbarschaftliche Angebote und Treffs wahrzunehmen. Wem das schwerfällt oder wer noch engagierter und intensiver mit seinen Nachbarn interagieren möchte, wird vielleicht in einem Mehrgenerationenhaus glücklich.
Das Prinzip der Mehrgenerationenhäuser ist einfach und orientiert sich an traditionellen Formen des Zusammenlebens, bei denen Familien oft als Großfamilien mit Kindern, Eltern, Onkeln, Tanten, Cousinen, Cousins und Großeltern zusammenlebten. Die Weisheit des Alters und die Agilität der Jugend ergänzen sich dabei und Menschen mittleren Alters, die oft im Arbeitsalltag sehr eingebunden sind, können sich auf ältere Menschen, die im Rentenalter wieder mehr Zeit haben, verlassen. Kinder profitieren von einer Vielzahl an Kontakten aus unterschiedlichen Altersgruppen und mit Menschen unterschiedlicher sozialer und geografischer Herkunft.
„Darin besteht die Liebe: Dass sich zwei Einsame beschützen und berühren und miteinander reden.“
Rainer Maria Rilke
In Deutschland werden rund 530 Mehrgenerationenhäuser öffentlich gefördert und die Tendenz ist steigend. Neben dem Zusammenleben von Menschen unterschiedlichen Alters werden hier auch Begegnungsorte für nachbarschaftliches Miteinander geschaffen. Konkret spielt sich ein Großteil des sozialen Lebens in einem Mehrgenerationenhaus im sogenannten Offenen Treff ab. Dieser Ort ist quasi ein gemeinsames Wohnzimmer für alle, in dem sich die Generationen treffen, gemeinsam Kaffee oder Tee trinken, erzählen, spielen und gestalten können. Außerdem bieten Mehrgenerationenhäuser Raum für Ehrenamt, Lernangebote rund um Technik und Technologie sowie Möglichkeiten von nachhaltigen und ressourcensparenden Tauschbörsen, Repaircafés und Werkstätten.
Fazit
Ein soziales Netzwerk kann in Notlagen wichtig sein und ist die beste Vorsorge, um in schwierigen Lebenslagen nicht zu vereinsamen. Um soziale Teilhabe zu erreichen, braucht es ein gutes Maß an Eigeninitiative. Wenn der schwierige erste Schritt gemacht ist, machen die neuen Aktivitäten im sozialen, ökologischen, sportlichen oder kreativen Bereich aber schnell große Freude. Kontakte und Freundschaften, die dort oft mühelos ganz von allein entstehen, können sich zu einer wichtigen Stütze des sozialen Umfeldes entwickeln. Damit kann man das quälende Gefühl der Einsamkeit überwinden und gelegentliches Alleinsein wieder als eine angenehme Ausnahme genießen.