Die unsichtbaren Wächter Teil 1
Von der Angeborenen zur Erworbenen Immunität
03. Dezember 2023
Wer sich für Gesundheit und Ernährung interessiert, stolpert bei seiner Lektüre häufig über das geheimnisvolle Immunsystem. Wir alle kennen es spätestens seit dem Biologieunterricht und trotzdem bleibt dieser wichtige Bestandteil unserer Gesundheit oft vage und schwer zu greifen. Diesem Mysterium wollen wir in einer kleinen Textreihe auf die Spur kommen, die sich mit den Funktionen, Wirkweisen und möglichen Problemen des Immunsystems auseinandersetzen wird. Flashbacks und Erinnerungen an Momente im Biologieunterricht können wir dabei nicht ausschließen, auf unserer kleinen Reise in die Welt der Abwehrkräfte wollen wir aber einige Fragen rund um T-Helferzellen und die spezifische und unspezifische Immunantwort klären.
"Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit."
Ludwig Börne
Was ist Immunität?
Das Immunsystem ist die primäre Verteidigung des Körpers gegen eine Vielzahl von Erregern, also Bakterien, Viren oder Pilzen, die Krankheiten und Infektionen verursachen können. Um diese Aufgabe der Körperabwehr effektiv erfüllen zu können, muss das Immunsystem schnell und fehlerfrei zwischen körpereigenen und körperfremden Zellen unterscheiden können. Dafür greift das Immunsystem auf ein komplexes Netzwerk aus Zellen, Molekülen und Organen zurück, die alle zusammenarbeiten, um eine schnelle Erkennung von schädlichen Eindringlingen und deren effektive Abwehr zu gewährleisten.
Die Fähigkeit unseres Körpers, diese Abwehrmechanismen auszuführen, wird als Immunität bezeichnet. Dabei verteidigt das Immunsystem den Körper nicht nur gegen unmittelbare Bedrohungen, die zum ersten Mal auftreten, sondern greift auch auf eigene Vorerfahrung in Sachen Erreger zurück: Es kann sich an frühere Begegnungen mit spezifischen Keimen erinnern und so bei der nächsten Begegnung eine schnellere Reaktion ermöglichen. Im besten Falle merken wir daher oft gar nicht, dass wir mit einem Erreger in Berührung waren, den unser Immunsystem schon einmal besiegt hat.
Die beiden unterschiedlichen Formen von Immunität helfen, das Immunsystem in zwei Teile zu teilen, deren Wirkmechanismen grundlegend verschieden sind. Dabei handelt es sich um die angeborene Immunität, die schon ein Säugling besitzt und die adaptive oder erlernte Immunität, die jeder Einzelne individuell im Laufe seines Lebens durch Kontakte mit verschiedenen Krankheitserregern aufbaut.
In die Wiege gelegt: Angeborene Immunität
Die angeborene Immunität ist die erste Verteidigungslinie des Körpers, über die jeder Menschen von Geburt an automatisch, ohne den Bedarf einer vorherigen Begegnung mit Krankheitserregern, verfügt. Dieses System umfasst die Schutzschilde der Haut und Schleimhäute sowie spezielle keimtötende Körperflüssigkeiten. Es bietet eine sofortige Schutzfunktion gegen eine breite Palette von Erregern, kann aber nicht unterschiedlich auf bestimmte Angreifer reagieren und wird daher als ‘unspezifisch’ bezeichnet.
Eine wichtige Komponente unserer angeborenen Immunität bildet beispielsweise die Haut, das größte Organ des menschlichen Körpers. Sie bildet eine schützende Barriere gegenüber schädlichen äußeren Einflüssen wie Viren, Pilzen, Bakterien und Chemikalien. Mit einer feinen, leicht sauren Schicht ausgestattet, verfügt sie über Abwehrmechanismen gegen Erreger und beherbergt zudem freundliche Bakterien und Hefepilze, die schädlichen Eindringlingen den Weg versperren.
Eine weitere physische Barriere, über die unser Immunsystem von Geburt an verfügt, sind die Schleimhäute, die unser inneres Gewebe bedecken. Sie sind mit Schleim und Abwehrstoffen ausgestattet und beherbergen Immunzellen, die Eindringlinge erkennen und bekämpfen können. Außerdem produzieren die Schleimhäute Antikörper und antimikrobielle Stoffe, um ein gesundes Milieu im Inneren des Körpers zu bewahren und Angreifern keine Chance zu bieten.
Auch bestimmte körpereigene Flüssigkeiten sind von Geburt an darauf ausgelegt, den Körper vor Eindringlingen zu schützen. Sie bilden beispielsweise durch einen niedrigen pH-Wert ein saures, lebensfeindliches Milieu oder enthalten spezielle Stoffe, die Erreger abtöten können. Zu solchen Flüssigkeiten des angeborenen Immunsystems zählen beispielsweise die Magensäure, Tränenflüssigkeit und der Speichel.
"Heilung ist eine Frage der Zeit. Manchmal ist es aber auch eine Frage der günstigen Gelegenheit."
Hippokrates
Abwehr will gelernt sein: Adaptive Immunität
Die adaptive Immunität, auch erworbene Immunität genannt, ist ein spezifischer und zielgerichteter Abwehrmechanismus. Sie entwickelt sich erst im Laufe des Lebens, indem der Körper mit verschiedenen Erregern in Berührung kommt und sich mit ihnen auseinandersetzt. Um eine erworbene Immunantwort auf einen bestimmten Erreger zu entwickeln, müssen wir nicht zwingend einen Infekt durchlaufen, den wir durch Krankheitssymptome zu spüren bekommen. Sind wir gesund und haben ein starkes Immunsystem, kann dieses auch unbekannte Erreger meist schnell und effektiv bekämpfen, möglicherweise ohne dass wir davon etwas mitbekommen. Egal ob uns ein neuer Keim umhaut oder wir ihn kaum bemerken, beim nächsten Kontakt mit ihm ist unser Körper vorbereitet und kann den Eindringling durch die adaptive Immunität noch besser abwehren.
Die adaptive Immunität umfasst zwei Hauptkomponenten: B-Zellen und T-Zellen. B-Zellen produzieren Antikörper, während T-Zellen die Immunantwort koordinieren. Dieser Zweig des Immunsystems verfügt über ein "Gedächtnis", das es ihm ermöglicht, frühere Begegnungen mit bestimmten Erregern zu erkennen und bei erneutem Kontakt eine stärkere Reaktion auszulösen. Das erworbene Immunsystem erfordert eine lebenslange Eigenleistung von uns. Es tritt in Aktion, wenn das angeborene Immunsystem mit bestimmten Erregern überfordert ist. Bei der Begegnung mit unbekannten Erregern werden körpereigene B-Zellen mithilfe von Abwehrzellen oder Signalstoffen stimuliert, spezifische Antikörper zu produzieren, um genau diesen Erreger zu bekämpfen.
T-Zellen spielen im Immunsystem eine Schlüsselrolle, indem sie infizierte Körperzellen zerstören oder in Kooperation mit anderen Immunzellen deren Wirkung verstärken. B-Zellen hingegen erzeugen erregerspezifische Antikörper, eine Art von Signalstoffen, die den Erreger binden und neutralisieren sowie für andere Abwehrzellen oder Signalstoffe markieren, um den Erreger abzutöten. Signalstoffe sorgen für die Kommunikation zwischen Abwehrzellen und Organen, um Unterstützung bei der Erregerabwehr anzufordern. Einige Signalstoffe erhöhen die Durchblutung, um mehr Abwehrzellen an den Ort des Geschehens zu transportieren.
Im Blut zirkulieren zahlreiche Abwehrzellen, die Erreger in der Blutbahn oder in beschädigtem Gewebe aufspüren und daraufhin Warnsignale aussenden können. Einige dieser Zellen können sogar Erreger selbst unschädlich machen und tragen Bruchstücke auf ihrer Oberfläche, die anderen Abwehrzellen helfen, diese Erreger in Zukunft schneller zu erkennen und zu bekämpfen. Bei wiederholter Begegnung mit demselben Erreger verfügt unser Immunsystem bereits über eine vorausschauende Immunantwort und kann ihn oft so schnell abwehren, dass wir die Gefahr nicht einmal bemerken. Generell reagiert das erworbene Immunsystem langsamer als das angeborene, aber es besitzt die kostbare Fähigkeit, dazuzulernen.
"Neun Zehntel unseres Glücks beruhen allein auf der Gesundheit."
Arthur Schopenhauer
Die schrittweise Abwehr von Eindringlingen
Um seine unglaubliche Arbeit leisten und uns täglich vor neuen, unbekannten Erregern schützen zu können, verfügt unser Immunsystem also über eine Menge verschiedener Barrieren, die von Geburt an vorhanden sind und schädliche Keime in den meisten Fällen gar nicht erst eindringen lassen. Können diese eine Infektion allerdings nicht verhindern und gelangen Keime in den Körper und vermehren sich dort, greift die erlernte Immunantwort. Jetzt muss es schnell gehen, denn Viren und Bakterien können sich im Körper exponentiell vermehren und binnen kurzer Zeit eine echte Gefahr für körpereigene Abläufe darstellen.
Zunächst einmal muss das Immunsystem fremde Eindringlinge daher möglichst schnell als körperfremd und gefährlich erkennen. Dazu verfügt es über spezielle Immunzellen, die mit verschiedenen Rezeptoren zur Erkennung spezifischer molekularer Muster auf Erregern, den sogenannten Antigenen, ausgestattet sind. Nachdem eine Bedrohung erkannt wurde, aktiviert das Immunsystem verschiedene Mechanismen, um die eindringenden Erreger anzugreifen und zu zerstören.
Dafür kann das Immunsystem beispielsweise zellzerstörende Substanzen freisetzen, die infizierte oder auch mutierte Zellen zerstören können. Dabei handelt es sich um Moleküle, die die Zellmembranen der betroffenen Zellen durchdringen und diese schädigen oder abtöten können. Außerdem kann das Immunsystem auf sogenannte Phagozyten, auch als Fresszellen bekannt, zurückgreifen. Sie können Krankheitserreger wie Bakterien, Viren und andere schädliche Zellen aufnehmen, diese mit einer Membran umschließen (sie also fressen) und sie dann mithilfe spezieller Verdauungsenzyme zersetzen. Die von den Phagozyten aufgenommenen Erreger werden dadurch verdaut und unschädlich gemacht.
Eine weitere Möglichkeit der spezifischen Immunabwehr stellt der Einsatz von Antikörpern, auch Immunglobuline genannt, dar. Bei diesen handelt es sich um spezielle Proteine, die von spezialisierten Immunzellen produziert werden. Diese Proteine sind äußerst vielfältig und können sich gezielt an die Antigene auf der Oberfläche von Krankheitserregern binden, wodurch sie die Erreger neutralisieren und diese ihre schädlichen Eigenschaften verlieren. Antikörper können auch dazu beitragen, die Erreger zu markieren, damit diese in Zukunft leichter von anderen Immunzellen erkannt und eliminiert werden können.
Welche dieser Verteidigungsstrategien unser Körper anwendet, hängt letztendlich von der Art des abzuwehrenden Erregers und der aktuellen Situation im Körper ab. In manchen Fällen kann auch eine Kombination aus zellzerstörenden Substanzen, Fresszellen und Antikörpern zum Einsatz kommen.
Fazit
Das unglaubliche und komplexe Abwehrsystem unseres Körpers verfügt über eine Menge Tricks, um uns Erreger vom Hals zu schaffen und lernt lebenslang dazu, um uns immer besser gegen Eindringlinge zu verteidigen. Faszinierend ist dabei nicht nur das ausgeklügelte System der verschiedenen Abwehrmechanismen, sondern auch, dass alle Menschen die erste, angeborene Immunantwort in Form von Haut, Schleimhäuten und Körperflüssigkeiten gemein haben. Die spezifische, im Laufe des Lebens erlernte Immunantwort dagegen ist bei jedem Menschen einzigartig und verändert sich ständig.
Nachdem wir in diesem Text das Konzept von Immunität näher betrachtet und die verschiedenen Arten von Immunabwehr und deren Mechanismen beleuchtet haben, soll es im nächsten Text unserer kleinen Reihe um aktive und passive Immunität gehen. Dabei wollen wir auch einen Blick darauf werfen, wie man selbst die eigene Immunantwort durch Lebensstil-Entscheidungen wie Ernährung, Bewegung und Anderes beeinflussen kann.